INTIS sieht induktives Laden kurz vor der Marktreife
„Cybercabs“ und „Cybervans“ sind für Elon Musk das nächste große Ding. Vollelektrisch und vollautonom fahrende Taxen und Lieferwagen, die Menschen und Waren von einem Ort zum anderen bringen. Idealerweise rund um die Uhr. Doch wo und wie die Robotaxen und Robotransporter ihre Batterien laden werden, verriet der „Technoking of Tesla“ bei seiner aufwendig inszenierten Show zur Weltpremiere der neuen Fahrzeuggattung nicht.
„Juicer“, die von Sharing-Anbietern wie Lime, Tier und Voi eingesetzt werden, um E-Scooter einzusammeln und aufzuladen, sind da sicher keine Lösung. Robotaxen wären sicher in der Lage, selbständig eine Ladesäule anzusteuern. Aber wer verbindet das Fahrzeug mit dem Ladekabel? Vielleicht ein ferngesteuerter Optimus-Roboter?
Ralf Effenberger, Geschäftsführer der Intis GmbH aus Hamburg, hätte da eine bessere, auch preiswertere Lösung: Induktives, also kabelloses Laden. Im oberfränkischen Kurort Bad Staffelstein hat er dieser Tage demonstriert, wie es funktioniert – und das mit einer Übertragungseffizienz von mehr als 94 Prozent. Entwickelt wurde die Technik in jahrelanger Feinarbeit von der Intis, die 2011 aus der Betriebsgesellschaft für die Transrapid-Versuchsstrecke im Emsland hervorgegangen war: Auch die ultraschnelle Magnetschwebebahn bezog den Fahrstrom bereits über ein Magnetfeld und über Spulen, die in die Betonpiste verlegt waren.
Geladen wird an der Haltestelle
Nach dem gleichen Prinzip lädt in Bad Staffelstein auch der vollautonom fahrende People Mover des französischen Herstellers Navya seine Antriebsbatterie, wenn er an einer Haltestelle der drei Kilometer langen Versuchsstrecke steht. Ladepads sind dort bündig in der Fahrbahn verlegt, über die Strom mit einer Leistung von bis zu 11 kW kabellos in die Batterie des Kleinbusses übertragen wird – über einen Luftspalt von 20 Zentimeter hinweg. Das Fahrzeug wurde dazu mit einem Positionierungssystem von Mahle ausgestattet, um es bei der Ankunft an der Haltestelle millimetergenau über der Ladespule zu platzieren.
„Technisch gesehen sind inzwischen die wichtigsten Fragen seit Ende 2022 geklärt“, sagt Effenberger, für den das Projekt MILAS („Modulare induktive Ladesysteme für autonome Shuttles“) ein wichtiger Meilenstein für das induktive Laden im öffentlichen Raum ist. Ein erster Versuch wurde vor zwei Jahren in Köln mit einer kleinen Flotte von Elektro-Taxen des britischen Herstellers elektrischer Taxen LEVC gestartet. Ähnliche Projekte sind in München und Hamburg in der Diskussion – zum Einsatz kommen soll hier der ID.4 von Volkswagen.
Interesse der Autohersteller wächst
Und auch in anderen Städten, berichtet der Intis-Geschäftsführer, sei das Interesse an der Ladetechnik groß. Zum Laden von Elektro-Taxen und Bussen, aber auch von E-Scootern, E-Bikes und E-Lastenrädern – es gibt einen großen Mangel an Plätzen für Ladestationen sowie Schaltschränken am Straßenrand. Und das „Juicer“-Konzept hat sich im Alltag auch nicht gerade bewährt.
Aber auch in der Autoindustrie wächst das Interesse an einer Alternative zum kabelgebundenen – konduktiven – Laden, berichtet Effenberger im Gespräch mit EDISON. „Die Diskussion nimmt auch im Pkw-Bereich gerade Fahrt auf.“ Das Problem seien nur die großen Vorlaufzeiten. „Bei den Plattformen, die man vor fünf Jahren für Elektroautos definiert hat und die nun in Serie gehen, ist für das induktive Laden noch kein Bauraum vorgesehen.“ Die Umstellung brauche Zeit – mindestens vier Jahre. „In Kleinserien vielleicht schon früher.“
Das induktive Laden werde aber nicht das konduktive Laden ersetzen. „Es ist eine gute Lösung für ganz bestimmte Anwendungsfalle.“ So könne man heute bei Elektrofahrzeugen im gewerblichen Einsatz nicht darauf vertrauen, dass der Fahrer am Abend noch das Kabel ausrollt, um die Batterie zu laden. Und kein Taxifahrer habe Lust, während der Arbeitszeit nach Ladesäulen zu suchen und dann dort auch noch eine Stunde zu stehen – und währenddessen Fahrgäste abweisen zu müssen. Effenberg: „Ob sich das bei Privatwagen durchsetzen wird, muss man mal sehen.“
Ladeleistungen von bis zu 200 kW sind drin
Derzeit kann induktiv mit Leistungen von bis zu 22 kW geladen werden. Mit dem Bus- und Lkw-Hersteller MAN spreche man aber bereits über höhere Ladeleistungen zwischen 150 und 200 kW. Für einen Einsatz von Elektrobussen im Linienverkehr würde das völlig reichen: Pantopraphen liefern derzeit mit 300 kW auch nicht viel mehr Strom. In USA hatte kürzlich das „Oak Ridge National Laboratory“ (ORNL) in Tennessee einen Porsche Taycan induktiv mit 270 kW geladen. „Aber das“, so Effenberger, sei eher ein Forschungsprojekt gewesen, „das von einem olympischen Gedanken getrieben war.“
Das High Power Charging mit extrem hohen Leistungen habe zwar das Ziel, die Ladezeiten eines Elektroautos auf Tankzeiten wie einem Verbrenner zu bringen. Aber den Batterien tue das „nicht so gut.“ Und die Ladeverlusten stiegen mit höheren Ladeleistungen. „Deshalb denke man bei den Autoherstellern jetzt man über völlig neue Gleichstrom-Verteilungssysteme im Fahrzeug nach, um die Übertragungsleistung in den Griff zu bekommen und die Belastungen für den Akku zu minimieren.
Vor allem für Flottenbetreiber interessant
Neben der Steigerung der Ladeleistungen gehe es beim induktiven Laden darum, die Ladeverluste durch eine möglichst exakte Positionierung des Fahrzeugs über der Ladespule in der Straßenfläche zu reduzieren. Ein Wirkungsgrad von 85 Prozent ist in der Norm vorgeschrieben, das aktuelle System von Intis im MILAS-Versuch liege bereits bei 94 Prozent. Ob ein spezielles Positionierungssystem erforderlich sei oder eventuell bereits vorhandene Assistenzsysteme umgenutzt werden können, wird noch untersucht.
Auf jeden Fall sieht der Intis-Chef die Einsatzgebiete für das induktive Laden in erster Linie im gewerblichen Bereich. Auch wenn sein Unternehmen Ladelösungen anbietet, in denen Elektroautos in einer privaten oder öffentlichen Garage mithilfe einer auf den Boden montierten Spule mit 11 oder 22 kW induktiv geladen werden können. „Bei unserer Muttergesellschaft IABG haben wir gerade das Parkhaus damit ausgestattet. Wir machen schon alles“. Aber bei Elektro-Transportern im Flotteneinsatz mache das wesentlich mehr Sinn: „Unter einen Crafter kriegt man locker eine Spule montiert.“
Zusatzkosten von maximal 30 Prozent
Aber natürlich kostet es einiges mehr, eine Ladespule samt Leistungselektronik im Boden zu versenken anstatt eine mit Ladesäule am Straßenrand aufzustellen. „Unser Ziel ist es, die Mehrkosten auf 30 Prozent gegenüber einer mit Gleichstrom betriebenen Ladesäule zu begrenzen, verrät Effenberger. Heute seien Lösungen wie die in Bad Staffelstein oder Köln Manufaktur-Arbeiten – „die zugegebenermaßen sehr teuer sind.“ Auch die Autohersteller hätten klare Vorstellungen, um wieviel der Preis eines Elektroautos durch eine solche (optionale) Ladelösung verteuern dürfe: zwischen 2000 und 3000 Euro. „So viel wie ein Automatikgetriebe gegenüber einer handgeschalteten Lösung“, habe die Ansage gelautet.
Und wäre es nicht eine feine Idee, das Elektroauto nicht nur im Stand, sondern auch während der Fahrt induktiv mit Strom zu versorgen – gewissermaßen wie ein kleiner Transrapid? Auf der ein Kilometer langen Rundstrecke „Arena des Futuro“ nahe Brescia erprobt ein italienisches Industriekonsortium unter Führung der Stellantis-Tochter Free2Move seit 2022 das dynamische induktive Laden. Über Spulen in der Fahrbahn werden hier umgerüstete Elektroautos vom Typ Fiat 500e bei Geschwindigkeiten von bis zu 130 km/h mit Fahrstrom versorgt. Für knapp zwei Millionen Euro pro Kilometer wurde hier die Fahrbahn umgebaut. Bei einem Streckennetz von über 13.000 Kilometern kämen da in Deutschland aber astronomische Summen zusammen, die niemand stemmen möchte.
Effenberger könnte sich allerdings ein semidynamisches Laden vorstellen, längere Ladespuren an Taxiständen oder Straßenkreuzungen in Großstädten. „Man muss es da machen, wo viel gestanden wird.“ Aber das sei Zukunftsmusik – jetzt soll das Projekt in Bad Staffelstein erst einmal demonstrieren, was die Ladetechnik leisten kann.
von Franz W. Rother, am 22.10.2024
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